Argentinien will mit deutschem Kapital Lithiumindustrie fördern

Argentinischer Staatskonzern baut für nationale Lithiumindustrie auf deutschen Rohstoffinvestor. Weiter Proteste indigener Gemeinden gegen Abbau in Jujuy

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Die Lithiumproduktion in Argentinien steht aus verschiedenen Richtungen im Fokus der Aufmerksamkeit
Die Lithiumproduktion in Argentinien steht aus verschiedenen Richtungen im Fokus der Aufmerksamkeit

Buenos Aires. Um die Wertschöpfungskette im eigenen Land aufzubauen, setzt Argentinien auf ausländische Investitionen. Die Tochterfirmen des staatlichen Ölkonzerns YPF, Y-Tec und YPF Litio, haben nun eine Absichtserklärung mit der Düsseldorfer Eusati GmbH unterschrieben, um die staatliche Lithiumproduktion und -verarbeitung voranzubringen.

Im Jahr 2022 hat Argentinien Lithium im Wert von über 700 Millionen US-Dollar exportiert – ein Rekordwert. Jedoch gehen bisher die großen Gewinne aus dem Geschäft mit dem sogenannten "weißen Gold" vor allem an ausländische Konzerne. Angesichts explodierender Lithiumpreise wollen zahlreiche ausländische Unternehmen in den Salzwüsten des Andenhochlands investieren.

Seit Jahren arbeitet der staatliche Ölkonzern YPF über Tochterfirmen wie YPF Litio und Y-Tec gemeinsam mit dem staatlichen Forschungsinstitut Conicet am Aufbau einer nationalen Lithiumindustrie. Doch für eine großflächige Umsetzung fehle es an Koordination und Kapital, heißt es in Wissenschaftskreisen.

Die argentinische Energieministerin, Flavia Royon, war für Gespräche mit Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft im März und im Mai zwei Mal zu Gast in Berlin. Zu dem Abkommen zwischen Deutschland und Argentinien schrieb sie nun auf der Plattform X: "Die Strategische Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und den Unternehmen beider Länder ist fundamental. Sie ermöglicht es, neue Projekte anzustoßen, die Argentinien als sicheren Lieferanten für Energie und wichtige Rohstoffe im Kontext der globalen Energiewende stärken".

Die Eusati GmbH importiert und handelt eigenen Angaben zufolge insbesondere Rohstoffe aus Südamerika, die für die Energiewende in Europa benötigt werden, darunter Lithium, Nickel, Kobalt, Graphit und in Zukunft auch grüner Wasserstoff. Zudem investiert Eusati in südamerikanische Rohstoffunternehmen. Derzeit arbeitet das Unternehmen an einer Fabrik für die Produktion von 25.000 Tonnen Lithiumhydroxid, heißt es auf der Website des Düsseldorfer Investmenthauses Droege Group AG, dem größten Anteilseigner von Eusati.

Eusati verspricht, sich dabei an den Nachhaltigkeitszielen der UN zu orientieren und mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ESG-Ziele entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette umsetzen und garantieren, geringe Auswirkungen auf Umwelt und Sozialgefüge der lokalen Gemeinden zu haben.

In Argentinien gibt es in den nördlichen Provinzen Jujuy, Salta und Catamarca Lithiumvorkommen. In Teilen Jujuys und Catamarcas wird seit Jahrzehnten Lithium gefördert. Proteste indigener Gemeinden nahmen zuletzt jedoch zu. In Jujuy protestieren Anwohnende der Salzwüste Salinas Grandes seit drei Monaten gegen eine Verfassungsreform, von der sie befürchten, dass sie neuen Bergbauprojekten den Weg bahnt.

Vertreter:innen mehrerer Gemeinden halten seit dem 1. August auch Mahnwachen vor dem Justizgebäude in Buenos Aires. Sie befürchten, dass die Regierung angesichts des weltweiten Lithiumhungers über ihre Rechte als indigene Völker hinweg geht und Projekte zulässt, ohne die laut der Weltarbeitsorganisation ILO vorgeschriebenen vorherigen, freien und informierten Beratungen mit lokalen Gemeinden abzuhalten. Die Sorge ist nicht unbegründet: Eine der mehr als 30 Gemeinden an den Salinas Grandes hat inzwischen ein Abkommen mit der Regierung in Jujuy abgeschlossen und dem Lithiumabbau zugestimmt.

Die Nachbargemeinden befürchten, dass mit dem Lithiumabbau die Sole- und Trinkwasservorkommen an und unter den Salzseen vertrocknen oder Mensch und Tier durch den Lithiumabbau unter freiem Himmel zu Schaden kommen. In Jujuy forschen argentinische Wissenschaftler:innen am Nationalen Lithiuminstitut an Methoden, die ohne die Verdunstung der Sole unter freiem Himmel funktionieren und damit den Wasserverbrauch drastisch reduzieren würden.

Das Abkommen mit dem deutschen Unternehmen könnte nun die Lithiumindustrie ankurbeln. Gleichzeitig ist die politische und wirtschaftliche Situation in Argentinien vor den Wahlen am 22. Oktober angespannt. Bei den Vorwahlen hatte der ultraliberale rechte Kandidat Javier Milei überraschend mehr als dreißig Prozent der Stimmen geholt (amerika21 berichtete). Er könnte mit seinen verbalen Attacken gegen das politische Establishment und seinem Vorschlag zur Dollarisierung der Wirtschaft und zur Privatisierung staatlicher Konzerne die Wahlen gewinnen.

Milei schlägt etwa vor, den staatlichen Ölkonzern YPF erneut zu privatisieren. YPF war im Rahmen einer neoliberalen Reform unter dem damaligen peronistischen Präsidenten Carlos Menem bis 1992 zunächst privatisiert und zwanzig Jahre später unter Präsidentin Cristina Fernández wieder teilverstaatlicht worden. Erst am Freitag hatte die US-amerikanische Richterin Loretta Preska Argentinien in dem Fall zu einer Entschädigungszahlung von 16,1 Milliarden US-Dollar verurteilt.

In La Plata baut die argentinische Y-Tec unterdessen die erste lateinamerikanische Lithiumfabrik. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit der Nationalen Universität La Plata (UNLP) und soll Ende dieses Jahres eröffnet werden. Da Argentinien derzeit aber keine eigene Lithiumförderung hat, wird Y-Tec das Lithium, das für die Batteriefabrik in La Plata benötigt wird, zunächst dem US-Konzern Livent abkaufen. Dieser baut in Argentinien seit Jahren Lithium ab und verkauft unter anderen auch an den deutschen Autobauer BMW.