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Konflikt in Bolivien um Lithiumproduktion vorerst beigelegt

Lithium erneut im Zentrum der innenpolitischen Diskussion. Provinz sieht sich finanziell benachteiligt und von Zentralregierung vernachlässigt

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Das Bürgerkomitee von Potosí macht erneut gegen die Zentralregierung mobil
Das Bürgerkomitee von Potosí macht erneut gegen die Zentralregierung mobil

La Paz. Soziale Organisationen der vier Regionen des Departamentos Potosí haben sich mit der Zentralregierung geeinigt und beschlossen, ihre Straßenblockaden aufzuheben. Vorausgegangen war ein 72-stündiger Streik.

Die Regierung hat auf die Forderungen verschiedener sozialer Organisationen reagiert und ein Abkommen auf den Weg gebracht, das schließlich von allen Seiten unterschrieben wurde. Dabei standen vor allem die öffentlichen Investitionsprojekte in der Region im Fokus. Die Lithiumthematik soll bei einem Treffen in Uyuni am 29. März weiter besprochen werden.

"Wir haben eine wichtige Einigung über Projekte für die Entwicklung von Potosí erzielt, darunter Straßen, Gesundheitszentren, die Mine für Zinkerze und andere", sagte der Vorsitzende des Mobilisierungsausschusses, Juan Canaza.

Unter anderem wurde festgehalten, dass ein Bergbaugipfel stattfindet, eine Zementanlage fertiggestellt und die Infrastrukturprojekte der Tinkuy-Autobahn sowie der Straße Uyuni-Hito 60 fortgesetzt werden. Zudem soll ein Touristenübergang an der Grenze zu Argentinien errichtet und der zur chilenischen Grenze erneuert werden. Gleichzeitig sollen die betroffenen Regionen zu den Themen Gesundheit, Land und Investitionsprojekte regelmäßig informiert werden.

Im Zentrum der Diskussion standen der rechtliche Rahmen der Lithiumproduktion und die Einbeziehung der Region insgesamt. Bereits 2022 sind fünf verschiedene Gesetzesvorschläge zum Lithiumabbau eingereicht worden. Einer davon wird derzeit im Senat diskutiert, ein anderer befindet sich noch in der Abgeordnetenkammer. Letzterer wird vom Bürgerkomitee von Potosí, das gegen die Zentralregierung eingestellt ist, sowie von der Gewerkschaft Frutcas unterstützt, die in den vergangenen Tagen zu Protesten in der Region mobilisiert hatten.

Unter dem Motto "Das Lithium für Potosí" riefen sie vergangene Woche für 72 Stunden zum Streik auf und forderten, dass die dem Departamento zugutekommenden Lizenzgebühren für die Lithiumförderung zwischen elf und 20 Prozent liegen sollen. Zudem forderten sie den Rücktritt des Gouverneurs, des Bürgermeisters und der Stadträte sowie beteiligter Staatsanwälte. Diese seien ihren Pflichten nicht nachgekommen, außerdem stünden Korruptionsvorwürfe im Raum. Während des Streiks gab es 90 Straßenblockaden im gesamten Departamento.

Bereits im Herbst 2019 hatten das Bürgerkomitee von Potosí und lokale soziale Organisationen gegen den Lithiumabbau protestiert. Sie sahen sich von dem damals geplanten ACISA/YLB-Joint Venture mit deutscher Beteiligung finanziell benachteiligt und befürchteten Umweltschäden wie Auswirkungen auf das Grundwasser. Das Vorhaben wurde nicht mehr umgesetzt. Im Januar dieses Jahres hatte Bolivien mit dem chinesischen Konsortium CBC die Entwicklung von zwei Industriekomplexen zur Gewinnung von Lithium vereinbart, eine davon in Potosí (amerika21 berichtete).

Die Präsidentin des Bürgerkomitees von Potosí, Roxana Graz, kündigte nach dem Streik die Einberufung eines Beirats an, falls das vorgeschlagene Gesetz nicht angenommen werde. Auch ein weiterer unbefristeter Streik sei nicht auszuschließen.

Währenddessen versuchte der im Hochsicherheitsgefängnis von Chonchocoro einsitzende Gouverneur von Santa Cruz, Luis Fernando Camacho, die Mobilisierungen in Potosí für sich und seinen politischen Diskurs gegen die Zentralregierung und für ein föderales System Boliviens zu vereinnahmen. In einem Brief schrieb er, dass die "Potosinos wie andere Regionen auf die Erstickung durch den Zentralismus reagieren, auf die Auferlegung einer Politik durch eine autoritäre Regierung".

Vor der Ausrufung des Streiks kam es bereits zu einer kurzfristigen Besetzung einer Lithiumanlage in Llipi Llipi. 20 Bauern aus den umliegenden Gemeinden des Salar de Uyunis besetzen das Werk des Staatsunternehmens YLB. Sie verlangten die Entlassung des Ministers für Kohlenwasserstoffe, Franklin Molina, wegen Nichtbeachtung der Forderungen der Region, die Verlegung des Hauptsitzes der YLB von La Paz nach Uyuni, einen respektvollen Umgang mit dem Personal, Arbeitsplätze für die Region sowie die Genehmigung des Lithium-Gesetzes und den Bau der Straße Uyuni-Hito 60.

Die Protestierenden betonten ihre Unterstützung für Präsident Luis Arce und die nationale Regierung, hätten sich jedoch aufgrund der mangelnden Aufmerksamkeit gezwungen gesehen, diese Maßnahmen zu ergreifen.

Zeitgleich waren drei Abgeordnete der Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) sowie Roxana Graz im Plenarsaal des Parlaments in einen Hungerstreik getreten, um die Forderungen des Bürgerkomitees und die Verabschiedung ihres eingebrachten Gesetzesvorschlags zu unterstützen. Sie wurden von Polizisten gewaltsam aus dem Saal entfernt.

Lithium ist das leichteste aller festen Elemente und hat aufgrund seiner hohen Energiedichte ein hohes elektrochemisches Potenzial. Dadruch ist es ein bevorzugter Bestandteil von wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien. Diese werden unter anderem für Elektrofahrzeuge, Netzspeicheranwendungen und tragbare elektronische Geräte wie Smartphones, Laptops und Elektrowerkzeuge benötigt. Da es die größten Lithiumvorkommen der Welt in Südamerika im sogenannten Lithiumdreick (Bolivien, Chile und Argentinien) gibt, wächst das geopolitische Interesse sowie die globale Nachfrage nach Lithium in dieser Region stetig.

Mit schätzungsweise 21 Millionen Tonnen befinden sich die weltweit größten Lithiumreserven der Welt unter dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt im Departamento Potosí.