Militär- statt Zivilgerichte für Soldaten während Olympia in Brasilien

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Soldaten bei einer Einsatzübung für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro
Soldaten bei einer Einsatzübung für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro

Rio de Janeiro. Mit Blick auf die anstehenden Olympischen Spiele diskutiert der brasilianische Kongress derzeit ein Gesetz, wonach sich Soldaten, die im Rahmen der Olympiabewachung Straftaten mit Todesfolge gegen Zivilisten verüben, vor einem Militärgericht und nicht vor einem Zivilgericht zu verantworten haben. Das Gesetz soll den rund 23.000 Soldaten, die während der Sommerspiele in Rio de Janeiro stationiert sind, im Fall von Gesetzesüberschreitungen einen höheren Schutz vor einer Verurteilung garantieren.

Am Donnerstag verwies der Senat das Gesetzesprojekt an die Ausschüsse für Auswärtige Beziehungen sowie für Verteidigung. Zuvor war es den Befürwortern nicht gelungen, das Paket im Eilverfahren durch die Kammer zu bekommen. Da der Senat erst Anfang August wieder zusammentritt, ist mit einer Entscheidung erst kurz vor Beginn der Sommerspiele zu rechnen. Das Gesetz soll bis Ende des Jahres in Kraft bleiben.

Bereits am 6. Juli hatte das Abgeordnetenhaus der Gesetzesvorlage im Eilverfahren, das heißt ohne Debatte, zugestimmt.

Abgeordnete der linken Partido Socialista (PSOL) kritisierten die Reform scharf. Laut ihrem Vorsitzenden Ivan Valente erteile das Vorhaben eine "Lizenz zum Töten", da sich die Militärs eines Prozesses vor einem Zivilgericht entziehen.

Die Militärgerichtshöfe sind in der Mehrheit durch aktive Offiziere ohne juristische Ausbildung besetzt. Befürchtet wird, dass Soldaten dort mit milderen Strafen rechnen können. Dies könnte die abschreckende Wirkung vor Menschenrechtsverbrechen verringern, wie die Bürgerrechtsorganisation Meu Rio argumentiert. Zudem würden Militärgerichte gegen Höherrangige mildere Strafen aussprechen als gegen Soldaten einfachen Ranges.

Julio Lopes von der rechts-konservativen Partido Popular (PP) verteidigte das Vorhaben und verwies auf die Ausnahmesituation des Bundesstaates Rio de Janeiros. Angesichts der schwierigen Lage der öffentlichen Sicherheit sei es notwendig, dass "die Soldaten mit mehr Freiheit und Belieben" agieren könnten. Ein mögliches Verfahren vor einem Zivilgericht hingegen sei eine Zumutung für die Arbeit der Militärs, so Lopes.

Gegner der Gesetzesänderung halten dagegen, dass die Reform gegen Artikel 5 der Verfassung verstoße: dieser besagt, dass Verbrechen mit Todesabsicht vor einem Zivilgericht unter Vorsitz eines ausgebildeten Richters zu verhandeln sind. Sie verweisen unter anderem auf bestehende Fälle, in denen Angehörige des Militärs für Taten gegen Zivilisten nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Zuletzt blieb in Folge eines Einsatzes der Streitkräfte im Stadtteil Maré im Februar 2015 ein Unbeteiligter querschnittsgelähmt, nachdem Soldaten sein Auto beschossen hatten. Das Verfahren vor einem Militärgericht gegen die Verantwortlichen wurde bis heute nicht eröffnet.

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